(Prime Quants) – Gerade mal sieben Monate sind vergangen, seit „Kardinal“ Draghi auf der Global Investment Conference in London verkündete, dass die EZB alles Notwendige tun wird, um den Euro zu erhalten. Mit Blick auf den aktuellen Wechselkurs hat der Patron bislang Wort gehalten, denn der Euro ist 1.) noch da und hat 2.) seit Ankündigung besagter Anleihekäufe wieder deutlich zugelegt. Gegenüber dem britischen Pfund verbesserte sich die Währungsgemeinschaft um knapp acht Prozent, gegenüber dem US-Dollar um rund neun und im Verhältnis zum japanischen Yen legte der Euro in den vergangenen sieben Monaten sogar um stolze 30 Prozent zu. Ironischerweise scheint sich aber niemand über die bis dato gelungene Rettungsaktion zu freuen. Im Gegenteil: Kaum hat sich die Angst vor dem Euro-Kollaps verzogen, da braut sich am Horizont schon das nächste Gewitter zusammen – und plötzlich ist der Euro sogar zu stark!
Die allgemeine Befürchtung: Durch die Euro-Aufwertung werden die Produkte der EU im außereuropäischen Ausland tendenziell teurer, was die konjunkturelle Entwicklung in Europa gefährden könne. Oder anders gesagt: Konkurrenzprodukte aus dem Ausland werden billiger und somit für potenzielle Käufer interessanter. „Wir sehen wettbewerbsneutrale Preise bei einem Euro-Kurs von 1,20 Dollar. Was wir jetzt sehen, ist Gegenwind für uns“, äußerte sich Olaf Wortmann, Konjunkturexperte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), in dieser Woche gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der französische Staatspräsident François Hollande haut in dieselbe Kerbe: „Wir können nicht zulassen, dass der Kurs frei nach Belieben der Finanzmärkte schwankt. Europa leidet unter einem unfairem Wettbewerb.“
Amüsant ist das schon: Zuerst gilt der Euro bei Kursen von 1,22/1,23 US-Dollar in seiner Existenz als bedroht, und nun trauert man der „alten“ Krisenzeit hinterher und träumt von Kursen im Bereich von 1,20 USD. Anscheinend glauben nicht nur die Amerikaner, dass die „Frischgeldzufuhr“ die Antwort auf alle wirtschaftlichen Probleme löst. Dem französischen Präsidenten möchte man hingegen ein Geschichtsbuch in die Hand drücken, denn das Spiel mit den festen Währungskursen wurde bekanntlich bereits 1973 ad acta gelegt. Stichwort: Bretton Woods.
Sicherlich, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Exportquoten durch eine Abwertung der Währung in Schwung gebracht werden können. Jedoch ist die Währungspolitik nur eine Komponente. Die Formel für wirtschaftlichen Erfolg beinhaltet auch Qualität und Innovation. Hinzu kommt: Die wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik waren im Jahr 2011 Frankreich (mit 9,6 Prozent Hauptabnehmer), USA (7,0 Prozent), Niederlande (6,5 Prozent), Großbritannien (6,2 Prozent), China (6,1 Prozent), Italien (5,9 Prozent), Österreich (5,4 Prozent), Schweiz (4,5 Prozent), Belgien (4,4 Prozent) und Polen (4,1 Prozent). Bis auf die USA und China (zusammen 13,1 Prozent) werden die deutschen Waren und Dienstleistungen zum größten Teil also im europäischen Binnenmarkt abgesetzt. Selbstverständlich kann sich auch ein französisches Unternehmen gegen eine deutsche und für eine japanische Maschine entscheiden. Aber selbst wenn die Produkte qualitativ gleichwertig wären, gilt es, die Transportkosten und -Zeit zu berücksichtigen. Der Spareffekt in Frankreich (ebenfalls Euroland) wäre demnach wohl eher gering. Betrachtet man die Exportnation Deutschland isoliert, kann zwar von einer bremsenden bzw. dämpfenden Wirkung des „hohen“ Euros gesprochen werden, die aktuelle Panikmache ist allerdings übertrieben.
Dennoch bleiben die Wechselkurse an den Devisenmärkten ein sensibles Element im Wirtschaftsgeschehen. Allerdings liegen diese derzeit in einer Bandbreite, die die aktuelle Diskussion um einen „Währungskrieg“ (noch) nicht rechtfertigen. Das Problem der Wirtschaftsflaute in der Eurozone aber bleibt: Im vierten Quartal sank das Bruttoinlandsprodukt der 17 EU-Länder um 0,9 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum vom Vorjahr – der schlechteste Wert seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor knapp vier Jahren. In Bezug auf das dritte Quartal 2012 musste immerhin ein Abschlag von 0,6 Prozent verkraftet werden. Die Prognosen lagen bei -0,7 Prozent bzw. -0,4 Prozent, sodass es an der Börse nach Vorlage der Zahlen zu einem kleinen Kursrutsch gekommen ist. Zuvor lagen bereits die BIP-Daten aus Frankreich, Deutschland und Italien unter den Erwartungen.
Fakt ist: Die Krise ist in Europa keineswegs ausgestanden und der Druck auf die EZB steigt, dass sie mittels „lockerer“ Geldpolitik der Wirtschaft erneut auf die Sprünge helfen soll. EZB-Vizechef Vitor Constancio warnte heute bereits davor, einen Währungskrieg herbeizureden. Wahrscheinlich wird aber – wie bei dem Kauf von Staatsanleihen vor sieben Monaten – genau das geschehen. Die Aktienmärkte würden darauf sicherlich positiv reagieren und die entsprechende Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung direkt einpreisen.
Im Augenblick bestimmen jedoch einige Unsicherheiten das Kursgeschehen. Vor allem die Parlamentswahl in Italien dürfte zum Monatsende mit Argusaugen beobachtet werden. Vom derzeitigen Bewertungsniveau besteht durchaus noch Platz nach unten. Daher sind wir derzeit auch in zwei Short-Positionen investiert. In der kommenden Woche gibt es dann an dieser Stelle mit dem zweiten Teil der Handelssystem-Entwicklung wieder das Kontrastprogramm.
Erfolgreiche Trades wünscht
Ihr
Sebastian Jonkisch
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler