Manchmal, aber wirklich nur manchmal, geht der Volkswirt mit mir durch. So zum Beispiel bei der Meldung, dass die EZB, also die Europäische Zentralbank, ihr Inflationsziel angepasst hat. Beziehungsweise sich ein neues gesetzt hat. Bislang (genauer: seit 2003 und damit immerhin seit 18 Jahren) galt für die Währungshüter ja bekanntlich, mittelfristig eine Teuerungsrate von „unter, aber nahe zwei Prozent“ anzupeilen. Jetzt, schwuppdiwupp, sind es zwei Prozent geradeaus, wobei geringfügige Schwankungen um die Zielmarke herum nicht ausgeschlossen sind. Heißt im Klartext – die Rate kann schon auch mal über den genannten zwei Prozent liegen (die Deutsche Bundesbank erwartet übrigens zum Jahresende rund vier Prozent). Interessant klingt dabei vor allem die Begründung: „Der EZB-Rat geht davon aus, dass Preisstabilität mit einem Inflationsziel von zwei Prozent auf mittlere Sicht am besten erreicht werden kann“, und weiter:

Paradox

„Das könnte auch bedeuten, dass es zu einer Übergangsperiode mit Inflationsraten leicht über dem anvisierten Ziel kommen kann“. Damit hält sich die EZB vermutlich die Tür für eine Fortsetzung der bisherigen geldpolitischen Maßnahmen offen. Ein Beispiel, wie das dann aussehen könnte, ließ sich in dieser Woche in den USA beobachten. Dort verzeichneten die Verbraucherpreise zwar den höchsten Anstieg seit 13 Jahren und sprengten damit alle Erwartungen. Trotzdem blieb Fed-Chef Jerome Powell auf Kurs und führte dafür unter anderem Corona-Sondereffekte ins Feld. Keine Zinserhöhung trotz steigender Inflation, das klingt für mich irgendwie paradox. Ziemlich schlüssig ist dagegen, und damit zurück zur EZB, die Tatsache, dass die sogenannten Target-Salden (eine Erklärung sowie spannende Hintergrundinformationen dazu u.a. auf der Homepage von Hans-Werner Sinn) immer weiter auseinanderdriften. Konkret:

Nebelkerze

Während sich die Forderungen der deutschen Bundesbank gegenüber der EZB derzeit (genauer: Ende Mai 2021) auf über eine Billion (genauer: 1077 Milliarden) Euro belaufen, sind die Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber Italien (-493 Milliarden Euro) und Spanien (-503 Milliarden Euro) angestiegen. Angesichts dieser Entwicklung scheint es nur wenig verwunderlich, dass die EZB lieber andere Themen – wie eben die Anpassung des Inflationsziels – in den Fokus stellt. Auf dem Parkett spielt die Musik ohnehin gerade auf einer ganz anderen Bühne – die Bilanzsaison ist eröffnet und sorgte in dieser Woche bereits für neue Rekordstände an den US-amerikanischen Börsen. Und auch der DAX marschierte bis zur Wochenmitte konsequent auf neue Bestmarken und schob das aktuelle Allzeithoch auf 15.811 Punkte. Damit wäre dann auch die Frage aus der Vorwoche, ob denn wohl der Turnaround in Richtung 16.000er-Barriere gelänge, mit einem klaren Ja beantwortet. Der Break an der runden Tausendermarke steht zwar noch aus, dürfte aber nicht allzu lange auf sich warten lassen – vorausgesetzt, der Aufwärtsschwung hält an. Kommt es dagegen zum nächsten Rücksetzer, müsste auch gleich der nächste Test der hinlänglich bekannten Haltezonen bei 15.300 und 15.000 Zählern einkalkuliert werden.

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