Haben Sie es auch schon gehört oder gelesen? Wir stehen kurz vor einer Inflation, oder zumindest einem möglichen Anstieg der dazugehörenden Rate. Drei Prozent oder mehr, hielt beispielsweise Isabel Schnabel, Direktorin der EZB, in dieser Handelswoche für möglich. Hoppla! Da müssen wir direkt ins Jahr 1993 zurückgehen, um einen höheren Wert (4,5%) ausfindig zu machen; alle darauffolgenden Jahre pendelte die Inflationsrate in Deutschland zwischen 2,6 (1994, 2008) und 0,3% im Finanzkrisenjahr 2009. Kein Wunder also, dass die Angst vor dem allgemeinen Preisauftrieb zuletzt die Schlagzeilen beherrschte. Und an den Märkten für einen ordentlichen Kursrutsch sorgte. Dabei waren es – wieder einmal – vor allem die Tech-Werte, die unter die sprichwörtlichen Räder gerieten (TecDAX auf Wochensicht -3,5%), während defensiv ausgerichtete Titel, wie eine Fresenius oder eine Henkel Vorzugsaktie, sich durchaus behaupten konnten. Dabei gibt es noch einen anderen Aspekt, der die Anleger nervös werden lässt:
Rohstoffpreise gehen durch die Decke
Die Rede ist von den exorbitanten Preisanstiegen im Rohstoffsektor. Holz, Stahl, Industrie- und Edelmetalle haussieren und drücken damit ordentlich auf Margen sowie Gewinnerwartungen der (deutschen) Industrie. In Verbindung mit steigenden Inflationsraten könnte das zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums führen – als Beispiel lässt hier die Ölpreiskrise ab 1973 grüßen! Und als ob das alles noch nicht genug sei, waren da auch noch die möglichen Zinserhöhungen, die immer dann ins Feld geführt werden, wenn es mit der Inflationsrate nach oben geht. Das tat es unter anderem in den USA, wo die Teuerungsrate im April gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,2% zulegte und damit auf den höchsten Wert seit 2008 kletterte. Der Zielkorridor der US-Notenbank Fed von 2% ist damit längst verlassen worden, aber:
Füße stillhalten
Noch halten die Notenbanker dies- und jenseits des Atlantiks die Füße still. Beziehungsweise an ihren Beteuerungen fest, dass es sich bei den aktuellen Preisanstiegen lediglich um temporäre Ereignisse handele, die kein Eingreifen oder gar eine Korrektur der ultralockeren Geldpolitik erfordern. Wie lange das gutgeht? Werden wir sehen. Ebenso wie den Kursrutsch am gestrigen Himmelfahrtstag, wo es für die Notierungen auf breiter Front in die Gegenrichtung, nämlich abwärts ging. Der DAX rutschte dabei unter die vielbeachtete 15.000er-Schwelle und zudem auch noch unter das bisherige Mai-Tief vom Monatsanfang bei 14.845 Punkten. Damit könnte es nun, sofern sich die Abwärtsbewegung in der kommenden Woche fortsetzt, direkt zum Test des markanten März-Zwischentiefs bei 14.423 kommen, bevor die 14.000er-Haltezone auf den Prüfstand gestellt werden dürfte. Oder ist doch alles – wieder einmal – nur halb so wild (wonach es außerdem gerade so aussieht), und die Käufer kehren direkt aufs Parkett zurück? Dann stünde erneut die 16.000er-Marke als Kursziel im Fokus, vorausgesetzt, der DAX knackt vorher noch das amtierende Allzeithoch bei 15.502, das mittlerweile auch schon fast einen Monat (19. April) alt ist!
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler