in der vergangenen Ausgabe hatten wir an dieser Stelle noch den Wunsch geäußert, dass bitte alles gut werden möge. Doch die Zeiten haben sich schon wieder grundlegend geändert. Was natürlich einerseits der weiterhin extrem dynamischen Lage geschuldet ist, in der sich die Welt derzeit befindet. Andererseits zeichnet sich eine Lagerbildung ab: #stayhome ist da beispielsweise eine Fraktion, die länder- und parteiübergreifend auf den sicheren Rückzug in den eigenen vier Wänden setzt. Doch es gibt auch andere Stimmen, nämlich solche, die eine möglichst zügige, reibungslose Rückkehr zum Tagesgeschäft fordern. Back to business, Zeit ist Geld, und money makes the world go round, weiß doch jedes Kind, selbst wenn es gerade daheim am Küchentisch beschult wird. Selbstverständlich hat sich gegen dieses Lager sofort Widerstand gebildet, zum Beispiel unter dem Hashtag #DontDie4WallStreet. All das zeigt, wie groß die Verwerfungen in unserer gewohnten Welt sind. Und die Angst – oder besser Ängste, um die Gesundheit, das Leben, die Zukunft, den Job, das Depot und die Dividende. Um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Das alles spiegelt sich auch auf dem Parkett wider:
Rekorde hier…
Denn da behielt zunächst die Hoffnung auf bessere Zeiten die Oberhand. Nachdem die Fed unbegrenzte Anleihekäufe ankündigte, das billionenschwere Rettungspaket im US-Kongress durchgewunken wurde und der deutsche Bundestag im Eiltempo, aber unter Einhaltung des Mindestabstands ein erstes Maßnahmenpaket im Wert von 156 Milliarden Euro verabschiedete, meldeten sich die Bullen an den Märkten zurück. Und das nicht einfach nur so, sondern mit allem Bohei: Sowohl für den DAX als auch den Dow ging es jeweils 11% nach oben, machte bei dem einen (= Dow Jones) den größten Tagesgewinn seit dem Jahr 1933, beim anderen (= DAX) den größten Tagesgewinn seit Oktober 2008 und damit seit dem Tag, an dem die Lehman-Bank in die Pleite rutschte und die (Finanz-)Welt kurz vor dem Zusammenbruch stand. Da steht sie jetzt übrigens auch wieder, nur an einer anderen Stelle. Noch stemmen sich die Regierungen, aber auch die Unternehmen und die Kurse gegen den drohenden Untergang. Aber:
… wie da…
Der gute Wille und viele Worte allein werden es nicht richten können. Wie gewaltig das Ausmaß der Krise werden könnte, haben die jüngsten Arbeitsmarktdaten aus den USA gezeigt, wonach in der vergangenen Woche rund 3,3 Millionen Amerikaner*innen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe stellten. In der Vorwoche waren das noch 282.000 gewesen, womit dieser Anstieg der größte jemals gemessene ist, die bisherige Rekordmarke lag bei 695.000 Erstanträgen in einer Woche, damals, im Jahr 1982. Wobei wir aktuell vermutlich nur die Spitze des Eisbergs gesehen haben, vermutlich sind viele Anträge noch gar nicht erfasst. Sind die USA damit auf dem direkten Weg in die Rezession?
… und dort!
Sehr wahrscheinlich, wenngleich es gilt, die kommenden Wochen und Monate abzuwarten. Zunächst zauberte der Dow Jones die besten drei Sitzungen in Folge seit 1931 (!) aufs Parkett, doch was die am Ende wert sind? Auch in Deutschland heißt es jetzt warten; unter anderem auch darauf, wie sich der DAX in der Folgezeit entwickelt. Die Krisentiefs aus der Vorwoche bei 8.256 Punkten haben jedenfalls gehalten, genau wie die markanten Tops aus den Jahren 2000 und 2007 bei 8.136 sowie 8.152 Zählern, die zusammen mit der 8.000er-Barriere eine massive Unterstützungszone bilden. Die sollte, daran hat sich seit vergangener Woche ebenfalls nichts geändert, idealerweise nicht mehr unterboten werden, um den Ausverkauf in Richtung 7.500/7.000 Punkte zu verhindern. Was übrigens durchaus noch auf uns zukommen könnte, denn dass wir nun direkt in eine V-förmige Erholung übergehen, muss, bei allem Optimismus, mit einem großen Fragezeichen versehen werden! Die Kursziele auf der Oberseite können wir uns aber trotzdem schon einmal anschauen:
Abwarten!
Nachdem das mit der Rückeroberung der 9.000er-Schwelle geklappt hat, haben die deutschen Blue Chips nun die 10.000er-Hürde vor der Brust. Die konnte am Donnerstag mit dem Schlusskurs bei 10.001 zwar kurz überboten werden, aber – eben nur kurz! Gelingt der nachhaltige Re-Break, hätten die Notierungen aus dem Stand Platz bis an das alte 201er-Tief bei 10.279 Zählern, bei 10.390 könnte das offene Gap vom 12. März geschlossen werden. Darüber warten dann die Eindämmungslinien bei 10.800 und 11.000 Punkten, bevor im Anschluss die Schließung der offenen Kurslücke vom 9. März bei 11.447 auf dem Programm stehen würde. Von dort aus könnte es dann direkt bis 12.000 Zähler gehen, zumindest aus charttechnischer Sicht.
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler