Im Jahr 1852 rammte die HMS Birkenhead vor der Küste Südafrikas einen Felsen und sank. Da der Truppentransporter deutlich weniger Platz auf den Rettungsbooten als Passagiere an Bord hatte, gab Oberstleutnant Alexander Seton das Kommando „Frauen und Kinder zuerst (in die Boote, Anm. der Redaktion)!“. Seton überlebte das Unglück nicht (anders als die 25 Frauen und 31 Kinder), doch die Verhaltensregel (wenngleich schon einige Jahre früher bei anderen Ereignissen praktiziert) ist seitdem als „Birkenhead Drill“ bekannt. Warum ich das heute erzähle? Nun – mit irgendeinem Einstieg muss dieses Editorial schließlich beginnen, und da ich mich außerstande sehe, das aktuelle Marktgeschehen einigermaßen ernsthaft zu kommentieren, habe ich mich für diesen Ausflug in die Geschichte der Seenotrettung entschieden. Und so ganz ist der Bezug zum Untergang der Aktienmärkte auch nicht von der Hand zu weisen, wie ich finde. Denn:
Rings a bell!
Während der Rücksetzer vom Freitag noch unter der Rubrik „ganz normale Gewinnmitnahmen vor dem Wochenende“ verbucht werden konnte, änderte sich die Lage quasi schlagartig und über Nacht. Plötzlich wurde Italien zum europäischen Zentrum der Coronavirus-Epidemie erklärt, und noch bevor die Märkte am Montagmorgen in den regulären Handel starten konnten, waren die Kurse auch bereits infiziert. So ging es für den DAX mit dem größten Tagesverlust seit dem BREXIT-Referendum im Juni 2016 und einem Mega-Abwärtsgap direkt an, kurz darauf auch unter die 13.000er-Barriere. Tags darauf wurde die 12.800er Marke getestet, am Mittwoch stand die 200-Tage-Linie auf dem Prüfstand. Die ging gestern dann auch prompt verloren, denn der deutsche Leitindex markierte bei 12.212 Zählern und damit 1.583 Punkte unterhalb des Allzeithochs vom 17. Februar ein neues Jahrestief. Nein halt, ich korrigiere, das aktuelle 2020er-Tief liegt bei 11.725. Macht einen Wertverlust von über 2000 Punkten bzw. 14% binnen zehn Tagen, das gab es so zuletzt im Eurokrisen-Sommer 2011 bzw. im Herbst 2008! Moment mal – rings a bell – kommt er nun also doch, der Crash?
Der Schwarze Schwan!
Nun – sieht im Augenblick ganz danach aus, ja. Zumindest dann, wenn sich der Coronavirus als der berühmte „Schwarze Schwan“ entpuppt, das unvorhergesehen Ereignis von außen. Der Meteoriteneinschlag auf dem Parkett, sozusagen. Oder aber wir sehen die größte Übertreibung (im negativen Sinn) der vergangenen zehn Jahre. Mindestens. Schließlich haben die Notierungen ohne jedwede Gegenwehr alle – und damit meine ich ALLE – Haltestellen auf dem Weg nach unten durchbrochen. Ohne Worte, liebe Leserinnen und Leser! Denn die Sätze, die Sie hier jetzt nicht mehr lesen können, sind der hausinternen „Zensur“ zum Opfer gefallen. Halten wir daher einfach nur durch und uns an die Fakten: Die nächsten Kursziele im DAX sind, sofern der Index jetzt auch bei 12.000 abreißen lassen muss, die 11.8000er-Schwelle und darunter die 11.600er-Marke, es folgt die Unterstützung bei 11.400 und das markante 2019er-August-Tief bei 11.266 Punkten. Auf der Oberseite ist eine Gegenbewegung angesichts der krassen Überverkauft-Situation allerdings überfällig; die ersten chartrelevanten Zielzonen sind, nach der Rückeroberung der Hürden bei 12.000 und 12.300, am GD200 (aktuell bei 12.641), 12.800 und natürlich der 13.000er-Barriere zu finden. Bis dahin gilt: „Frauen und Kinder zuerst!“
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler