
Wir leben in seltsamen Zeiten. Das gilt in höchstem Maße für die Politik, wo in dieser Woche wieder die seltsamsten Blüten hervortrieben. Doch auch an den Börsen (alle anderen Schauplätze blenden wir, um uns nicht zu verzetteln, der besseren Übersicht halber von vornherein aus) geschahen in den zurückliegenden Sitzungen einigermaßen merkwürdige Dinge. Während die europäischen Aktienmärkte plötzlich den Turboschalter fanden und nach oben davonzogen, wechselten die US-Börsen in eine Art Standby-Modus. Warum genau Europas Indizes zum Angriff bliesen, ist dabei ebenso erstaunlich, denn eine der treibenden Kräfte war der eigentlich zuletzt doch so krisengeschüttelte Automobilsektor, wo beispielsweise die deutschen Autobauer eine geradezu überragende Woche ablieferten! Volkswagen sowie Daimler legten klar zweistellig zu, auch BMW schraubte sich deutlich nach oben. Ein Grund für die Kursanstiege? Hmmm…darüber lässt sich nur spekulieren. Nehmen die Anleger eine Einigung im Zollstreit vorweg? Oder feiern bereits den gerade erst zustande gekommenen BREXIT-Deal (der allein für sich schon an ein Wunder grenzt)?
Man weiß es nicht so ganz genau. Weit wichtiger ist außerdem auch das Ergebnis, und das liest sich im Fall des DAX dann so: Ausbruch über alle bis dahin liebgewonnenen Widerstände, neue Jahresbestmarken sowohl auf Intraday- (12.814) als auch auf Schlusskursbasis (12.670). Und damit aus charttechnischer Sicht nun zunächst freie Bahn bis an die 13.000er-Barriere (na gut, bei 11.800 wartet noch eine kleine Volumenkante, aber…), wobei ein Überschießen bis in den Bereich um 13.100/13.200 auch keine allzu große Überraschung darstellen würde. Darüber – und wer hätte das noch vor einer Woche gedacht, dass es sich eventuell lohnen könnte, schon so weit bzw. hoch vorauszublicken – würde dann tatsächlich das amtierende Allzeithoch vom 23. Januar 2018 bei 13.597 Punkten ins Visier rücken! Aber halt – die Unterseite, das hat der Kurseinbruch am gestrigen Donnerstagnachmittag zur Schlussglocke gezeigt, darf keinesfalls vorschnell abgehakt werden:
London calling!
Denn anstatt die Kletterpartie nach dem frischen Jahreshoch nach oben fortzusetzen, gingen die Blue Chips in der letzten halben Stunde des regulären Handels auf Tauchstation. Schließlich ist die Abstimmung über den BREXIT-Deal im britischen Parlament noch längst nicht in trockenen Tüchern. Bislang jedenfalls zeichnet sich keine Mehrheit für Johnsons Last Minute-Deal ab, und das könnte den Börsen in der kommenden Woche übel aufstoßen! Die Haltestellen sind dabei schnell aufgezählt: einen kleineren Rücksetzer sollten die beiden Haltelinien bei 12.600 und 12.500 auffangen. Eine Etage tiefer wartet die 12.400er-Schwelle, der 50 Punkte tiefer die massive Volumenspitze mit dem meisten Volumen seit dem Allzeithoch folgt. Und erst darunter würde es dann charttechnisch brisant, da mit der 12.200er-Barriere der letzte „bullishe“ Wendepunkt vorliegen würde, will heißen: rutschen die Kurse noch einmal unter dieses Niveau ab, wäre die Rallye auch schon wieder passé!

Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler