(Prime Quants) – So schnell kann das manchmal gehen – im Sommer diesen Jahres war es vor allem die große Angst um Chinas schwächelnde Konjunktur, die den Kursen hierzulande ordentlich zusetzte und vor allem im August für veritable Abschläge in Höhe von fast 10 Prozent (im DAX) sorgte. Wer den Market Mover schon länger liest, der weiß, dass auch uns dieses Thema eine ganze Weile beschäftigt hat, wen wundert’s, schließlich galt das Reich der Mitte jahrelang als DIE Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft. Wunderbare Wachstumsraten zeichneten ein idyllisches Gemälde vom chinesischen Wirtschaftswunder, dumm nur, dass es sich dabei offensichtlich um ein Trugbild handelte, denn der Börsencrash, der den chinesischen Leitindex im Sommer um rund 45 Prozent abstürzen ließ, offenbarte eine ganz andere Realität. 7 Prozent Wachstum für 2015, daran glaubte ab August vermutlich nur noch die Statistik-Abteilung der Kommunistischen Partei. Als Folge davon wurde China medial abgeschrieben, doch siehe da: Auch Totgeschriebene leben offensichtlich länger, denn in dieser Woche erhob der Internationale Währungsfonds IWF die Volksrepublik quasi in den Adelsstand, indem die Landeswährung Yuan künftig (genauer: ab Oktober 2016) neben Euro, US-Dollar, britischem Pfund und Yen in den erlesenen Kreis der Reservewährungen aufgenommen wird. Wir gratulieren dem Phönix! Und sehen an dieser Stelle großzügig darüber hinweg, dass es in China neben der bereits beschriebenen Baustelle mit den Wachstumsraten eventuell und möglicherweise noch weitere, nun, sagen wir einmal „Aufgaben“ (Stichwort vielleicht Menschenrechte oder eventuell auch Pressefreiheit) gibt, wir wollen ja nicht kleinlich sein. Eher milde fällt auch unser heutiges Urteil zu den übrigen Märkten aus:
Buy the rumor, sell the fact
Die gaben zunächst schließlich wenig Anlass zur Klage. Ein bisschen rauf, ein bisschen mehr noch runter, so schaukelte sich der DAX rund um die 11.300er-Marke durch die ersten Tage dieser Handelswoche. Damit bestätigte sich die Vermutung, dass die Anleger offenbar bereits in der Vorwoche bzw. zum Wochenbeginn ganz klassisch und getreu dem gleichnamigen Börsenmotto „das Gerücht gekauft“ und im weiteren Verlauf der Sitzungen dann „die Tatsache verkauft“ haben. Denn EZB-Präsident Mario Draghi, auf dessen mögliche Ankündigung der Kurssprung der vergangenen Woche fußte, lieferte am gestrigen Donnerstag zwar wie erwartet, indem er sich ans Anlegervolk wandte und dabei versprach, die Anleihekäufe bis ins Frühjahr 2017 zu verlängern. Allerdings – ganz und offensichtlich noch dazu – gefiel dieser Wortlaut dem Publikum nur sehr bedingt: der heftige Kursabsturz unter die 11.000er-Marke zeigte überdeutlich, dass sich die Anleger weit mehr vom obersten europäischen Geldschöpfer erhofft hatten. Eine Ausweitung statt einer läppischen Verlängerung, das wäre wohl im Sinne der Investorengemeinde gewesen. Nun – vielleicht hilft es, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass jetzt immerhin zusätzliche 360 Milliarden und damit eine durchaus ansehnliche Summe in den Markt gepumpt werden. In der ersten Enttäuschung scheint dieses Detail jedenfalls übersehen worden zu sein, dementsprechend überzogen fiel der gestrige Abverkauf, immerhin 400 Punkte bzw. -3,6 Prozent und damit der größte Tagesverlust seit dem 22. September, auch aus. Charttechnisch hat sich das Bild deshalb wieder erheblich eingetrübt:
Frostgefahr
Gerade erst war es dem DAX gelungen, über die vielbeachtete 200-Tage-Linie auszubrechen, doch mit dem gestrigen Kursverlust notiert das deutsche Börsenbarometer nun wieder klar unterhalb des langfristigen GD. Ein klares Verkaufssignal, wenn man denn ein Anhänger der Lehre von der Trendfolge ist. Doch auch die Techniker haben aktuell wenig Spaß: der aktuelle Absturz unter die Oktober-Aufwärtstrendgerade gibt ebenfalls kaum Anlass zur Freude. Die Stimmung unter den Anlegern ist dementsprechend frostig und die von vielen bereits fest eingeplante Jahresendrallye in ernster Gefahr. Mit einer bisherigen Monatsperformance von -5,2 Prozent hinkt der DAX den sonst üblichen Ergebnissen im Monat Dezember auch weit hinterher, war es das jetzt also, nach dem fulminanten Kursanstieg im Oktober, endgültig gewesen für 2015? Wir haben in der DAX-Historie nachgeschaut und dabei festgestellt, dass einem sehr starken Herbstbeginn nur selten ein weiterer Rallyeschub in den letzten 6 Wochen des Jahres folgt.
DAX – Q4 – Starker Oktober, starker Rest des Jahres? |
In der Grafik erkennen Sie anhand der blauen Balken die jeweilige Oktober-Performance, die orangefarbenen Pfeiler markieren die restlichen Kursgewinne ab dem 15. November des jeweiligen Jahres und siehe da – einen starken Endspurt nach einem deutlichen Anstieg im Oktober gab es tatsächlich nur 1993 und 1999, womit auch aus statistischer Sicht wenig Aussicht auf den nächsten Rallyeschub bis zum Jahresende besteht. Wir alle wissen jedoch, dass an der Börse immer alles möglich ist, eben auch das Gegenteil, daher ziehen wir uns jetzt zwar erst einmal warm an, lassen uns aber gerne anderweitig, nämlich positiv überraschen!
Erfolgreiche Trades wünscht
Ihr
Sebastian Jonkisch
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler