(Prime Quants) – Im Leben gibt es immer wieder mal den ein oder anderen Moment, da möchte man einfach gar nichts sagen und stattdessen am liebsten nur schweigen. Dann fehlen einem sozusagen die Worte, und die alte Redewendung vom Reden, das Silber sowie dem Schweigen, das Gold ist, erhält einen ganz neuen, aktuellen Bezug. Ein solcher Moment ist das heute, hier und jetzt eigentlich auch, aber da ich in meiner Eigenschaft als Ihr allwöchentlicher Börsenkorrespondent nun einmal für den textlichen Inhalt dieses Editorials verantwortlich zeichne, ist es Ihr mehr als gutes Recht, auch diesmal auf einen Bericht von mir zur Lage der Märkte zu bestehen. Dabei hat meine heutige Wortkargheit selbstverständlich mitnichten mit Ihnen oder der Aufgabe, diesen Text zu verfassen, zu tun. Nein, es ist vielmehr das derzeitige Marktgeschehen, das mich gewissermaßen sprachlos macht. Ich meine, haben Sie sich den Verlauf dieser Handelswoche einmal angeschaut? Was soll man denn dazu bitteschön noch sagen? Dazu fällt einem doch buchstäblich nichts mehr ein, oder? Die Kurse fallen und fallen, dabei haben wir nicht einmal eine Griese, Chrise oder sonst irgendeinen vergleichbaren Notstand auf dem Parkett. Wie zum Teufel soll ich Ihnen also diese Märkte erklären? Was nun folgt, ist ein Versuch, und den beginnen wir zunächst mit einer Sondierung der Fakten:
Druckverlust
Nachdem der DAX am vergangenen Freitag auf dem letzten Meter die 11.000er-Marke unterschritt und bei 10. 985 Zählern aus dem Handel ins Wochenende ging, setzte sich eine Abwärtsbewegung in Gang, die mittlerweile sechs Verlusttage am Stück, einen Abschlag von 756 Zählern bzw. 6,9 Prozent und den Sturz unter die 200-Tage-Linie zur Folge hatte. Für den August steht damit aktuell ein Minus von 7,75 Prozent zu Buche, 5 Prozent davon allein in dieser Woche, und die Jahresperformance für 2015 ist auf nur noch magere 6,4 Prozent geschrumpft. Beinahe identisch das Bild beim EuroStoxx 50, der verbucht für den laufenden Monat -4,3 Prozent und verzeichnet eine bisherige Jahresbilanz von +9,8 Prozent. Der Dow Jones hingegen, ohnehin schon nicht gerade der Top-Performer in diesem Jahr, markiert aktuell einen neuen Jahrestiefstand und kommt auf ein Minus von rund 4 Prozent auf Monats- sowie gut 4,7 Prozent Verlust auf Jahressicht. Beim deutlich breiter gefassten S&P 500 fallen die Zahlen moderater aus – einem Minus von 3,2 Prozent für den August steht ein überschaubarer Verlust von rund einem Prozent für 2015 gegenüber. Aus technischer Sicht rangieren die Indizes damit jetzt allesamt unter ihren langfristigen Durchschnitten und somit im offiziellen Short-Modus. Dennoch haben wir es hierbei nicht mit einem Crash zu tun. Vielmehr entweicht nun schlicht und ergreifend der Druck, der sich vor allem in den europäischen Märkten während der rasanten Frühjahrsrallye aufgebaut hat. Und das ist – trotz aller temporären Verluste, unsere eigenen eingeschlossen – irgendwo auch ein gutes Zeichen:
Atemtechnik
Seitdem Mario Draghi in seiner Eigenschaft als EZB-Präsident damit begonnen hat, für sehr viel Geld sehr viele Staatsanleihen zu kaufen, sind die Kurse an den europäischen Börsen, allen voran dem DAX, förmlich explodiert. Zwischen dem bisherigen Jahrestief bei 9.383 Zählern vom Januar und dem einstweiligen Allzeithoch bei 12.391 Punkten aus dem April liegen ziemlich genau 3.000 Zähler, das entspricht einem Wertzuwachs von rund 32 Prozent. Einem rein spekulativen Wertzuwachs wohlgemerkt, denn dass der tatsächliche Wert der im Index notierten Unternehmen im ersten Halbjahr 2015 um 30 Prozent gestiegen ist, vermag man kaum zu glauben. Die Rallye war nichts anderes als eine Blase, und die fällt jetzt in sich zusammen. Damit wird die – letztlich ungesunde – Divergenz zwischen den Kursen und den Fundamentaldaten abgebaut, und das ist per se nichts Schlechtes. Vielleicht erinnern Sie sich noch – wir haben damals, als die Kurse anfingen, uns allen davon zu laufen, immer wieder gewarnt, dass es noch einmal an die 10.000er-Marke zurück gehen dürfte. Jetzt ist es also scheinbar (endlich) soweit, wobei der Zeitpunkt auch für uns überraschender ist als der Kursverlust selbst. Saisonal betrachtet befinden wir uns zwar in der schwächsten Periode des Börsenjahres, was die Rückgänge erklären könnte. Tatsächlich ist es aber vermutlich nur ein Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Faktoren, die den Märkten aktuell die Luft abschnüren: Chinas Konjunkturschwäche, Amerikas Zinswende und der Verfall der Rohstoffpreise, das lockt im Augenblick einfach keinen Käufer auf’s Parkett. Wichtig ist jetzt vor allem eines – die richtige Atemtechnik, denn mit einem langen Atem übersteht man selbst solche miesen Phasen!
Erfolgreiche Trades wünscht
Ihr
Sebastian Jonkisch
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Dipl.-Volkswirt, Full-Stack Engineer, Hobbytischler